Es ist und bleibt skurril: Obwohl in Deutschland seit 2014 eine offizielle und staatliche Meldestelle für Kraftstoffpreise existiert, gibt es wohl kein anderes Land auf der Welt, in dem sich die Spritpreise so häufig und mitunter auch drastisch ändern wie bei uns. Preisunterschiede von bis zu 25 Cent pro Liter an nur einem Tag sind keine Seltenheit, einige Tankstellen korrigieren die Preise für Benzin und Diesel binnen 24 Stunden mehr als 30 mal. Obwohl dieses Phänomen alles andere als neu ist und letztlich schon seit Jahren existiert, scheint nun plötzlich ein Interesse an diesem Thema zu bestehen - zumindest medial.
Erst vor wenigen Wochen veröffentlichten wir einen Artikel, der den Nutzen von Spritpreis-Apps und entsprechenden Vergleichsportalen in Frage stellt. Inzwischen sind die Spritpreise an den meisten Tankstellen in Deutschland derart kurzlebig, dass sie sich vom Zeitpunkt der Abfrage bis zur Ankunft an der Zapfsäule schon wieder geändert haben können. (Randbemerkung: In einem anderen Artikel haben wir auch darauf hingewiesen, dass der KI-Assistent "Gemini" aus dem Hause Google diese Fakten abstreitet.)
Unter dem etwas reißerischen Titel "An fast allen Tankstellen: So werden Autofahrer abgezockt" veröffentlichte das Online-Magazin "Inside Digital" jüngst einen Artikel, der sich der oben geschilderten Thematik annimmt und sich dabei auf eine Analyse stützt, die vom Vergleichsportal benzinpreis.de unter dem Titel "Die große Benzinpreis-Täuschung" durchgeführt wurde.
Im Rahmen dieser Analyse wurden zwischen dem 12. und 18. Mai 2025 die Preisänderungen für die Kraftstoffsorte Super Benzin an mehr als 14.000 Tankstellen, die zur Meldung an die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe verpflichtet sind, exakt dokumentiert und ausgewertet. Das Ergebnis: An über 11.000 Tankstellen kam es zu Preisanpassungen, die eine maximale Gültigkeit von 15 Minuten hatten, bevor der Preis wieder anstieg. An mehr als 3.000 Tankstellen konnten sogar Preise mit einer Gültigkeit von weniger als fünf Minuten registriert werden.
Ungeachtet der Tatsache, dass es zwischen der Preismeldung vom Tankstellenbetreiber an die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe (MTS-K) und der entsprechende Abholung dieser neuen Preisdaten durch Vergleichsportale und Apps zu einer Verzögerung von wenigen Minuten kommen kann, dürfte jedem klar sein, dass die online kommunizierte Preisaktualität in vielen Fällen nicht mehr gegeben ist. Für Verbraucher ist diese Tatsache frustrierend, uns Vergleichsportalen wird wiederum häufig die Seriosität abgesprochen.
Natürlich liegt die Schlussfolgerung nahe, dass vor allem die Tankstellenbetreiber und Mineralölkonzerne von der hohen Volatilität der Spritpreise profitieren und diese bewusst herbeiführen. Immerhin lässt sich so die Transparenz für Verbraucher und Endkunden, für die die MTS-K einst ins Leben gerufen wurde, außer Kraft setzen. Unsere eigenen Analysen haben jedoch ergeben, dass oft genau die Tankstellen, die ihre Preise am häufigsten ändern, die günstigsten Tagespreise offerieren - wenn auch nur für jeweils wenige Minuten.
Am Besten lässt sich dieser Zustand an Autobahn-Tankstellen abbilden, an denen ohnehin exorbitant hohe Spritpreise abgerufen werden:
Diese Grafik zeigt die Preisentwicklung der Kraftstoffsorte Super Benzin an einer Aral-Tankstelle an der A44 (Bühleck Nord - Zierenberg) am heutigen Montag, dem 26. Mai 2025. Wie an (fast) jeder Tankstelle in Deutschland wird der Preis morgens im Hauptberufsverkehr angehoben und sinkt dann wieder. Hier finden jedoch alles Preisänderungen zwischen 4.30 Uhr am Morgen und 10.30 Uhr am Vormittag statt - nachfolgend bleibt der Preis konstant. Zudem erfolgen die Preisänderungen exakt im 30 Minuten Tonus, mit "nur" 13 Preisanpassungen am heutigen Tag gehört die Autobahn-Tankstelle zudem zu einer Station, bei der man von "wenigen Preisänderungen" sprechen muss.
Werfen wir nun den Blick auf eine BFT-Tankstelle in Zierenberg (ca. 10 Kilometer Luftlinie von der oben gezeigten Autobahn-Tankstelle entfernt:
Diese Tankstelle schafft es bereits auf 31 Preisanpassungen am heutigen Tag, allerdings liegt der Tagestiefstpreis 1,659 € pro Liter deutlich unter dem Tiefstpreis der Autobahn-Tankstelle (2,139 € pro Liter).
In einem dritten Beispiel zeigen wir Ihnen die Preise an einer ARAL-Tankstelle in Kassel. Hier gab es zwar am heutigen Montag "nur" 26 Preisänderungen, der Tiefstpreis liegt mit 1,689 € / Liter jedoch wieder drei Cent über der BFT-Tankstelle, die ca. 12 Kilometer Luftlinie entfernt liegt.
Natürlich lässt sich nicht pauschal sagen, dass Tankstellen mit den meisten Preisänderungen immer die günstigsten Tagespreise offerieren. Es gibt viele Gegenbeispiele. Dennoch zeichnet sich ein Trend in die genannte Richtung ab.
Es häufen sich die Stimmen, nach denen die mögliche Anzahl an täglichen Preisänderungen reguliert werden soll. Unsere Befürchtung ist jedoch die, dass hierdurch zwar wieder mehr Transparenz hergestellt werden kann, die kurzen Zeitpunkte, zu denen es potentielle "Schnäppchen" gibt, jedoch entfallen. Das Preisniveau könnte in Summe also steigen.
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